Skip to main content Skip to page footer

Können wir uns nun also zurücklehnen und abziehen aus Bals? Nein, genau dies auf gar keinen Fall.

Strada 1 Decembrie

Von Nina Schöllhorn, Tierärztin

Das ist der Name der Straße, durch die ich gerade mit meinen beiden Hunden spaziere. Wir sind in Bals und haben eine neue Unterkunft bezogen für unsere aktuelle Kastrationsaktion, da wir unsere bisherige leider nicht mehr nutzen können. Ich erinnere mich nur zu gut, wie ich bereits vor 13 Jahren durch diese Straße gelaufen bin. Damals war es der zweite Einsatz in Bals, das Projekt stand also noch ganz am Anfang. Inzwischen folgten zahllose weitere Einsätze. In diesem Moment wird mir bewusst, wie sehr sich die Situation in dieser Straße und allgemein in der Stadt verändert hat. Damals begegneten mir hier viele Straßenhunde, oft in erbärmlichem Zustand. In den Gärten spielten sich fast überall traurige Szenen ab. Überall Kettenhunde an kurzen Ketten, mit sehr spärlichem Witterungsschutz. Insgesamt eine sehr niederschmetternde Situation.

Auch heute treffe ich auf viele Hunde. Allerdings sind dies Besitzerhunde in den Grundstücken. Und diese sind zum großen Teil frei auf dem Grundstück. Natürlich gibt es auch hier bei genauem Hinsehen einiges, was mir nicht gefällt und immer noch gibt es sie, die Kettenhunde, deren Lebenssituation so elend ist, dass es einem keine Ruhe lässt. Doch insgesamt hat sich die Situation sehr zum Guten gewendet. In den drei Wochen begegnen uns in dieser Straße drei Straßenhunde. Kein Vergleich zu damals.

Einige Nachbarn beäugen uns neugierig, denn mit Hunden spazieren zu gehen ist leider noch immer unüblich und sorgt für Aufsehen. Das offene, hilfsbereite Naturell der Rumänen verwickelt uns rasch in diverse Gespräche. Wir werden schnell zu einer kleinen Sensation, zwei deutsche „junge Damen“ mit ihren Hunden und großem Transporter, die kommen um den Hunden und Katzen zu helfen. Das ist schon etwas Besonderes. Man bietet uns von allen Seiten Hilfe an, falls dies notwendig sein sollte, (wird es später auch, als unser Transporter im Schlamm versinkt) und reicht uns Gemüse und Brot über den Gartenzaun. Doch was uns am meisten freut: Fast jeder in der Nachbarschaft erzählt uns stolz, dass die dazugehörigen Tiere in den letzten Jahren von uns kastriert wurden. Ein Großteil der Tiere in dieser Straße ist tatsächlich bereits kastriert. Welch eine Freude!

Immer wieder werde ich mit folgender Frage konfrontiert: „Macht das denn überhaupt einen Sinn, was ihr macht? Ändert das denn überhaupt irgendetwas?“
Das Beispiel Bals zeigt eindrucksvoll, dass sich sehr wohl etwas ändert. Allerdings ist die Voraussetzung, kontinuierlich am Ball zu bleiben. Von einmaligen Kastrationsaktionen hier und da halte ich nicht viel.

Können wir uns nun also zurücklehnen und abziehen aus Bals? Nein, genau dies auf gar keinen Fall. Bei genauerem Hinsehen fällt nämlich folgendes auf: Die Zahl der Straßenhunde ist durch die zahlreichen Kastrationsaktionen, konsequentes Einfangen und Vermitteln von ausgesetzten Hunden zwar stark zurückgegangen, dafür ist aber die Zahl der besitzerlosen Katzen deutlich angestiegen. Mit Wegfall ihrer Nahrungskonkurrenten, den Hunden, war es diesen möglich, sich zu vermehren. Hier müssen wir jetzt also vermehrt tätig werden. Ebenso gibt es noch immer Brennpunkte im Stadtgebiet, wie die Romaviertel, in denen noch immer dramatische Lebensbedingungen für Menschen und sämtliche Tiere herrschen. Hier etwas zu bewegen, ist eine besondere Herausforderung. Ebenso sind alle Dörfer im Umkreis vielfach noch unberührt von Kastrationskampagnen und somit findet man dort sehr viele Hunde und Katzen in schlechter Verfassung und es ist dringend nötig, unseren Radius Schritt für Schritt auszuweiten.

Die Nachfrage während unserer Aktionen ist derart stark angestiegen, dass es für mich als einzige operierende Tierärztin während der Aktionen nicht mehr möglich ist, dem Ansturm gerecht zu werden. Tiere allerdings abzuweisen fällt mir extrem schwer, da ich mir ja der Folgen sehr wohl bewusst bin. Fast wie ein Geschenk des Himmels kamen wir in Kontakt mit der vor Ort praktizierenden Tierärztin Adriana Grigore, die gemeinsam mit ihrem Kollegen seit Ende letzten Jahres ca. 25 Tiere monatlich für uns kastriert. Dies nimmt den Druck etwas aus den beiden großen dreiwöchigen Aktionen, die wir selbst vor Ort durchführen und bietet Tierfreunden das ganze Jahr über die Möglichkeit, Straßentiere und Tiere von Besitzern kastrieren zu lassen, die es sich ansonsten nicht leisten können. Adriana ist mit viel Herz und Feuereifer dabei und diese Zusammenarbeit ist sehr motivierend für uns und eine große Freude.

Für die Zukunft möchten wir einen weiteren Tierarzt mit ins Boot holen, der in seiner Nebentätigkeit für das Veterinäramt einige Dörfer betreut, hier engen Kontakt zur Bevölkerung pflegt und bestens über die Brennpunkte Bescheid weiß, wo kostenlose Kastrationen dringend nötig sind. Es steht eine Trainingswoche für ihn bevor, um ihn chirurgisch so weit auszubilden, dass er unsere Technik beherrscht und selbstständig auf hohem Niveau operieren kann.

Ich kann also aktuell sehr zufrieden auf die Situation vor Ort blicken und möchte wie gesagt den Radius ausweiten, um diese Region mehr und mehr in den Griff zu bekommen. An sich ist ja der Süden Rumäniens ein besonders schwieriges Pflaster, umso mehr freue ich mich über diese Erfolge. Positiv hinzu kommt natürlich auch, dass Slatina nur 30 Minuten entfernt liegt, wo wir auch sehr präsent sind. So können bei Bedarf Tiere von Slatina nach Bals gebracht werden und andersherum.

All dies wäre nicht möglich ohne die langjährige, sehr gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit Tasso e.V., dem Sponsor der Kastrationsaktionen in Bals. Ein ganz großes Dankeschön an dieser Stelle!
Ihre Nina Schöllhorn