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Rumänien - Strassenhunde

Ein Bericht von Nina Schöllhorn Tierärztin

Strassenhunde - ein sehr häufig verwendeter Begriff in Tierschutzkreisen, unter Tierfreunden, aber auch unter den weniger Hundebegeisterten. Doch was genau ist eigentlich ein Straßenhund? Als ich in Rovinari während einer Kastrationsaktion ein Interview gebe, wird mir plötzlich sehr deutlich bewusst, wieviele Missverständnisse und falsche Vorstellungen es dazu gibt. Auch ich habe viele Jahre gebraucht, um wirklich zu verstehen, wo all die Hunde herkommen, die einem in Rumänien begegnen, wo sie hingehen und was sie überhaupt so tun. Ich denke, um die ganze Problematik zu verstehen und ihr angemessen zu begegnen, ist es unumgänglich, dies etwas näher zu beleuchten. Da mir diese Hunde eine Herzensangelegenheit sind, ist es mir auch ein großes Anliegen, dass wir sie und ihre Situation best möglich verstehen.

Für die meisten unter Ihnen, sind Straßenhunde vermutlich die Hunde, die einem auf der Straße besitzerlos begegnen. Hierzu muss man wissen, dass dies nur teilweise stimmt. Ein Großteil dieser Hunde hat mehr oder weniger einen Besitzer. Nun ist es in Rumänien - wie in den meisten östlich und südlich gelegenen Ländern - so, dass fast auf jedem Grundstück ein oder mehrere Hunde leben und als Alarmanlage fungieren. Es ist also bei weitem nicht jeder Hundebesitzer auch ein Hundefreund. Hunde sind einfach da, haben aber in aller Regel nicht den selben Stellenwert, wie sie es bei uns haben. Daher hängen leider sehr viele ihr Leben lang an der Kette und führen ein trauriges, vernachlässigtes Dasein. Andere können kommen und gehen wie sie wollen und dies tun sie auch, sei es aus Langeweile, auf Futtersuche oder aus Fortpflanzungsgründen. Diese Hunde laufen natürlich Gefahr angefahren zu werden, sonst wie zu verunfallen oder auch in die Hände der Hundefänger zu geraten.

Die zweite Kategorie ist in der Tat besitzerlos, ist aber nicht auf der Straße geboren, sondern wurde ausgesetzt. Es ist gang und gäbe in Rumänien Hunde auszusetzten, denen man überdrüssig ist. An erster Stelle ist es natürlich der ungewollte Nachwuchs. Ebenso aber auch alte und kranke Tiere. Es gibt auch zahllose weitere Gründe sich seines Hundes zu entledigen. Sei es, dass der Hund Hühner jagt, zuviel bellt, Löcher im Garten buddelt, man kein Geld für Futter hat, man das Land verlässt, etc. Diese Hunde werden meist an bestimmten Plätzen ausgesetzt, häufig in den zahlreichen Parkbuchten entlang der Fernstraßen, oder auch an Schulen, Krankenhäusern, Friedhöfen, Supermärkten. Wie ein solcher Platz zur allgemein bekannten Hundeentsorgungsstation auserkoren wird, weiß ich nicht. Fest steht jedoch, dass jede Stadt mehrere solcher Plätze hat. Ich denke, dass diejenigen, die Hunde dort aussetzten, davon ausgehen, dass sie hier schon Futter finden werden, bzw. sich irgendjemand um sie kümmern wird. Oft ist dies auch der Fall, denn es gibt zahlreiche Tierfreunde, die regelmäßig an solchen Plätzen füttern und helfen wo es geht. Diese Hunde sind in der Tat in größter Not. Sie sind ohne Hilfe nicht auf der Straße überlebensfähig. Sie sind das harte Leben mit dem sie plötzlich konfrontiert werden nicht gewohnt, wissen nicht, wie sie sich Futter beschaffen sollen, sind den teils sehr harten Witterungsbedingungen nicht gewachsen und wissen auch nicht um die Gefahren im Straßenverkehr.
Die dritte Kategorie sind schließlich für mich die eigentlichen Straßenhunde. Sie leben seit Generationen besitzerlos und vom Menschen weitgehend unabhängig. Die Hunde sind scheu, intelligent und leben zurückgezogen. Sie bevölkern in Rudeln meist die Stadt. Sie suchen die Nähe der Menschen nur auf Futtersuche. Häufig sind sie auf Müllplätzen, um Firmengelände oder in großen Industrieparks zu finden. Diese Hunde sind sehr zäh und wahre Überlebenskünstler. Nur der stärkste und intelligenteste überlebt in diesen Hundefamilien. Diese Hunde sind extrem clever und daher sehr schwer einzufangen.
Ich selbst brauchte einige Jahre, um diese Unterschiede zu erkennen. Ich finde es aber enorm wichtig, das zu wissen um mit den entsprechenden Hunden auch richtig umgehen zu können.

Die erste Kategorie z.B. muss nicht zwangsläufig „gerettet“ werden. Nicht jeder Hund, der frei auf der Straße läuft, muss eingesammelt werden. Häufig haben sie ja auch einen Besitzer, der sie vermissen würde - auch wenn das Verhältnis Mensch-Hund ein anderes ist, wie wir es kennen. Diese Hunde sollten unbedingt kastriert werden, da sie sich natürlich ansonsten unkontrolliert fortpflanzen. Sie sollten ebenso mit Microchip gekennzeichnet werden, damit sie einem Besitzer auch eindeutig zugeordnet werden können. Nicht selten fallen diese Hunde nämlich auch Hundefängern in die Hände - mit meist fatalem Ausgang. Aufklärung ist natürlich auch von Nöten, denn es sollte nicht normal sein, seinen Hund ohne Aufsicht durch die Straßen ziehen zu lassen, ebenso wie eine Grundversorgung des Hundes mit Futter und auch medizinischer Hilfestellung gegeben sein sollte.
Die zweite Kategorie jedoch braucht dringend unsere Hilfe, denn diese Hunde kommen alleine nicht klar. Ausgesetzte, mutterlose Welpen sind natürlich zweifellos ohne Hilfe verloren. Aber auch von den erwachsenen werden sehr wenige in der Lage sein, sich anzupassen und längerfristig zu überleben. Ich beobachte die Hunde an den Parkbuchten seit Langem und kann nur sagen, dass ich den wenigsten ein zweites Mal begegne. Dafür säumen überfahrene Hundekörper die Straßen... Nicht selten finden sich an diesen Plätzen kleine, sehr freundliche Hunde, die sicher ein Zuhause hatten. Sie sind oft in erbärmlicher körperlicher Verfassung und völlig verzweifelt. Hoffnungsvoll betteln uns diese an und sind offensichtlich erleichtert, wenn sie mitgenommen und in Sicherheit gebracht werden. Diesen Hunden wäre z.B. in keiner Weise damit geholfen, sie nur zu kastrieren und wieder an ihrem angestammten Platz auszusetzen. Sie würden ohnehin nur kurz überleben. Lange wurde aber die Kastration aller Hunde. die sich auf der Straße befinden, als Lösung betrachtet...

Die dritte Kategorie möchte nicht „gerettet“ werden. Diese Hunde haben weder Interesse an uns Menschen, noch an einem Leben in einem Haus mit einem warmen Bettchen. Diese Hunde lassen sich auf Grund ihrer Intelligenz schwer einfangen. Geraten aber doch immer wieder in die Hände der Hundefänger, vor allem, wenn sie mit Betäubungsgewehren geschossen werden. Für sie ist die Aufbewahrung in Tierheimen absolut grausam. Sie sind es gewohnt sich frei zu bewegen und ihr Leben selbstständig zu organisieren. Sie wollen dem Menschen aus dem Weg gehen und wenn ihnen dies unmöglich gemacht wird, leben sie in Angst und Schrecken. Es ist falsch verstandene Tierliebe, diese Hunde in Sicherheit bringen zu wollen. Man nimmt ihnen damit alles an Lebensqualität. Noch fataler ist es, wenn solche Hunde, ebenso gut gemeint, nach Deutschland geholt werden. Hund und Mensch werden nicht glücklich werden. Am besten ist es selbstverstänlich, wenn irgendwie möglich, diese Hunde kastriert in ihrem Territorium zu belassen. Idealerweise mit eingerichteten Futterstellen.
Wenn man sich diese unterschiedlichen Problemfelder anschaut, wird schnell klar, dass es keine einheitliche Lösung für all diese Hunde geben kann. Weder können alle Hunde kastriert und dort belassen werden wo sie sind. Dies wäre auch schon von gesetzes wegen gar nicht zulässig. Noch können all diese Hunde einfangen und lebenslänglich in Tierheimen verwahrt werden. Dass wir die Tötung all diese Hunde natürlich als Lösung nicht ansprechen, ist selbstverständlich. Sie löst das Problem ja auch ebenso wenig, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Ebenso absurd ist es aber auch, all diese Hunde ins Ausland vermitteln zu wollen.
Es scheint also kein einfach zu lösendes Problem und das ist es in der Tat. Nicht umsonst kämpfen zahllose Vereine in diesem Land seit vielen Jahren dafür, die Situation für die Hunde zu verbessern. Doch oftmals fühlt man sich ernüchtert angesichts des noch immer existierenden Leids. Man fühlt sich erschlagen, bald ohnmächtig angesichts der Masse an Hunden in Not im ganzen Land. Oft weiß man nicht mehr wo man anfangen und aufhören soll und sehr viele tierliebe Menschen verlieren sich darin schließlich einfach einzusammeln, was ihnen vor die Füsse kommt.

Mit etwas Abstand betrachtet, ist es aber ganz offensichtlich, dass etwas getan werden muss. Der endlose Strom an neugeborenen Hunden muss gestoppt werden. Der Ursprung des Problems sind die unkastrierten Besitzerhunde! Dort gilt es anzusetzen. Wir haben in Rumänien den großen Vorteil, dass das Gesetz die Kastration vorschreibt und wir in weiten Teilen des Landes, wenn die entsprechenden Genehmigungen vorliegen, Besitzerhunde kostenlos kastrieren dürfen. Jede kastrierte Hündin verhindert extrem viel Leid - für Hündin und den gar nicht erst entstehenden Nachwuchs: Gott sei Dank ist das Thema Kastration inzwischen hier voll angekommen. Die Besitzer sind großteils überzeugt und bringen ihre Tiere gerne zur Kastration. Auch von öffentlicher Seite kommt man immer öfter auf uns zu und hat eingesehen, dass dies der einzig sinnvolle Weg ist.

Ich bin sehr froh meine Arbeit tun zu können, da ich weiß, wie sinnvoll jede einzelne Stunde meines Lebens investiert ist, die ich am OP Tisch verbringe. Dies ist das Sinnvollste was man in diesem Land tun kann um dem Leid zu begegnen.
Was ich gleichzeitig mit diesen Zeilen auch sagen möchte, ist, dass wir durchaus auch vielen Hunden begegnen, denen tatsächlich nur damit geholfen werden kann, dass wir eine Familie für sie finden. Solange dies nicht möglich ist, sehe ich nicht ein, warum wir nicht dem ein oder anderen den Sprung in ein glückliches Hundeleben ermöglichen sollen und damit gleich auch noch die dazugehörigen Menschen glücklich machen. Immer vorrausgesetzt natürlich, die entsprechenden Vorschriften zur Einreise werden eingehalten und die Vermittlung läuft auf seriösem Wege.

Und wenn ich ehrlich bin, das Leben und Arbeiten hier ist hart genug. Wenn ich nicht ab und an ein Leben aus dem Dunkel ins Licht holen könnte, ich glaube ich würde verzweifeln. Für mich ist dies meine Kraftquelle, die mich weitermachen lässt. Ein glückliches Hundegesicht entschädigt für die vielen Stunden am OP Tisch.
Danke an Sie alle, die unsere Arbeit an der Front möglich machen!

Eure Nina

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de