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Rumänien August 2015

Ein Bericht von Nina Schöllhorn | Tierärztin

Es ist dunkel und tief in der Nacht. Aber das stört mich schon lange nicht mehr. Hinter dem Stoppschild muss ich aufpassen, denn dort gibt es ein Schlagloch, so groß, dass die Vorderachse darin verschwinden könnte. Auch die Kurve hinter dem nächsten Ortschild zieht sich gefährlich zu. Ich kenne Rumänien inzwischen wie meine Westentasche. Orte wie Miercurea Ciuc oder Sighisoara, die für Sie wahrscheinlich unaussprechlich sind, kenne ich bald besser als meine Heimatstadt. Seit vielen Jahren fahre ich in dieses Land. Von oben nach unten, vom Westen in den Osten und von Bergkämmen runter in die Täler und an deren Ende wieder hinauf. Mir ist es inzwischen egal geworden, wo ich helfen kann, meine Patienten warten überall. In Tierheimen, auf der Straße, in Ortschaften, vor Schulen oder bei Privatleuten. Auch diesmal hat es mich an einen Ort verschlagen, der mir genauso neu ist, wie Ihnen. Aber spielt das eine Rolle? Ist es wichtig, wo man hilft? Wichtig ist doch nur, dass man hilft.

Ich kastriere, bis meine Hände bluten, denn jedem Tier das nicht geboren werden muss, kann ich ersparen an solch einem Ort des Grauens zu landen. Ich habe getan, was mir an diesem Tag möglich war. Und ich werde es wieder tun - immer und immer wieder.

Ich schaue auf meine Hände, die das Steuer führen. Sie sehen müde aus. Stark geschwollen und an zwei Stellen sogar blutig vom starken Anziehen der Ligaturen. Schwielen sind sowieso meine ständigen Begleiter während der Einsätze. Ich hätte mir vor einigen Jahren niemals träumen lassen, dass ein Nadelhalter Hornhäute verursachen kann... Doch irgendwie ruft der Anblick dieser geschundenen Hände auch ein Gefühl der Zufriedenheit in mir hervor. Denn vor meinem inneren Auge erscheinen all die Tiere, die in den letzten 3 Wochen durch diese Hände gegangen sind. 500 Hunde und Katzen. Sie alle benötigten unsere Hilfe und wir liessen ihnen zukommen, was uns in den wenigen Stunden die sie bei uns waren möglich war. Bei den meisten ist es neben der Kastration eine dringend erforderliche Behandlung gegen Parasiten, einige unserer Patienten weisen aber auch erhebliche gesundheitliche Probleme auf, denen wir in der Regel gut helfen können. Ich gehe in Gedanken den letzten Einsatz durch und bin wirklich stolz auf das Erreichte.

Unsere erste Station war Ramnicu Valcea im Süden Rumäniens. Wir waren dem Hilferuf von Michaela Frank von kids for dogs gefolgt, die uns bat dort zu helfen. Sie hatte sich selbst ein Bild von der Situation auf den Straßen der Region und natürlich im privaten Tierheim der ortsansässigen Tierschützer, sowie im städtischen Auffanglager gemacht. Kastrationen waren mehr als nötig- keine Frage. Im nahegelegenen Örtchen Daesti stellte der Bürgermeister die nötigen Räumlichkeiten für unsere Kastrationsaktion zur Verfügung. Kastriert wurden Privathunde und -katzen, zahlreiche Straßenhunde und natürlich die Hunde aus dem Tierheim. Es herrschte an allen Tagen ein buntes Treiben und wir hatten alle Hände voll zu tun- nicht zuletzt dank zahlreicher Helfer aus Deutschland, denn unter anderem war auch Michaela Frank mit einigen Unterstüzerinnen vor Ort um mit anzupacken.

Den letzten Tag operierten wir im städtischen Auffanglager, in dem die in Rumänien üblichen himmelschreienden Zustände herrschen. Schwer zu ertragen umgeben von hunderten Hunden zu arbeiten, die dringend Hilfe benötigen würden. Unsere Aufgabe bestand darin diejenigen Hunde zu kastrieren, die dadurch die Chance bekamen das Lager zu verlassen. Denn es gab für einige Hunde wartende Adoptanten- doch per Gesetz werden nur Hunde zur Adoption frei gegeben, die kastriert sind.

Obwohl ich es nicht tun wollte, ging ich dann doch am Abend durch die Reihen. Es ist schwer zu beschreiben, was einem in solchen Momenten durch den Kopf geht. Nun bin ich schon seit sehr langer Zeit im Tierschutz aktiv, doch dieses Gefühl ist immer noch das gleiche. Das tobende Gebell, die überwältigende Anzahl an Hunden die hinter all den rostigen Gitterstäbe zu einer einzigen Masse an geballtem Leid werden, die einzelnen Augenpaare, die sich einem tief ins Herz einbrennen, obwohl man so sehr bemüht ist, keinen Blickkontakt aufzunehmen. All die Trostlosigkeit und Verzweiflung.... Gänsehaut. Tiefe Traurigkeit.

Was sich geändert hat in all den Jahren: Ich lebe mit dem Bewusstsein, dass es diese Orte des Schreckens gibt- überall. Sie drohen einen in Beschlag zu nehmen und atemlos und bewegungsunfähig zu machen. Doch dies passiert mir heute nicht. Ich weiß was meine Aufgabe ist, diesem Elend entgegen zu treten: Ich kastriere, bis meine Hände bluten, denn jedem Tier das nicht geboren werden muss, kann ich ersparen an solch einem Ort des Grauens zu landen. Ich habe getan, was mir an diesem Tag möglich war. Und ich werde es wieder tun- immer und immer wieder.

Auf der Weiterfahrt nach Miercurea Ciuc habe ich einen Termin in Sfantu Gheorghe. Auch dort hat man uns um Hilfe gebeten. Der Bürgermeister möchte sich für ein groß angelegtes Kastrationsprojekt einsetzen und uns alle erforderlichen Bedingungen ermöglichen. Die Gespräche verlaufen positiv und die Arbeitsbedingungen scheinen sehr vielversprechend, so dass ich recht optimistisch bin, dass wir uns hier schon bald wiedersehen werden.

Auch in Miercurea Ciuc wartet dieses Mal sehr viel Arbeit auf uns. Die Zahl der Menschen, die mit ihren Tieren vor dem Tierheimtor erscheinen scheint dieses Mal nicht abzureißen. Die Abläufe sind hier wie immer reibungslos und es macht einfach Spaß in einem so vorbildlich geführten Tierheim arbeiten zu können.

Die letzte Station ist das Städtchen Balan, welches wir seit mehreren Jahren besuchen. Die Situation auf der Straße ist unter Kontrolle, trotzdem gibt es natürlich einige neue Hunde die zugewandert sind, bzw. Neuanschaffungen von Anwohnern. Das ganze Dorf ist diesmal informiert und eine Vielzahl von Menschen ist während unserer Anwesenheit vor unserem doch zugegebender Maßen sehr bescheidenen OP- Räumchen zu finden. Zweifelsohne ist unser Besuch eines der wenigen highlights des Jahres an diesem an sich trostlosen Ort. So trifft man sich während dieser Tage eben hier, ob mit oder ohne Tier scheint keine Rolle zu spielen. In Balan sind die Arbeitsbedingungen- auch unsere eigene Unterbringung nach Feierabend- ein wenig beschwerlich. Trotzdem verlässt man diesen Ort stets mit einem guten Gefühl. Denn hier ist kein Tierheim weit und breit in welchem Hunde unter unwürdigen Bedingungen dahinvegetieren. Und dennoch, bzw. gerade deshalb ist die Situation hier im Griff.

Ich fahre nun also wie so viele Male zuvor Richtung Heimat. Müde, ein wenig erschlagen von all den Eindrücken und voll Freude auf ein wenig Normalität und Privatleben in Deutschland. Doch schon sind die Gedanken wieder beim nächsten Einsatz, der schon in wenigen Wochen bevor steht und den es schon jetzt zu organisieren gilt. Verschieden Stationen haben angefragt, ob ich kommen kann. Nun gilt es das leidige Thema der Finanzen zu klären, denn leider können wir nicht immer wie wir gerne wollen. Denn nur mit gutem Willen allein können auch wir nicht helfen. Unsere Arbeit kostet Geld... Wenn feststeht, welches die Ziele des nächsten Einsatzes sind, sollten diese natürlich in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden, denn die Wege die ich kreuz und quer durch Rumänien zurück lege sind ohnehin schon weit genug. Dann geht es ans organisieren von Unterkünften, Helfern vor Ort und Material. Futter- und andere Sachspenden sollten bis zum nächsten Abfahrtstermin auch wieder bereit stehen. Ebenso muss mein Equipment auf Vordermann gebracht werden. Und und und....

Doch ein ganz besonders wichtiger Punkt um den Erfolg eines solchen Einsatzes sicher zu stellen ist meine Begleitung. Viele von Ihnen werden es nicht wissen: Ich benötige für meine Arbeit vor Ort eine Assistentin. Alleine bin ich nichts. Ich möchte an dieser Stelle einmal hervorheben, was meine Begleiter/ -innen während eines solchen Einsatzes leisten. Es ist ein Knochenjob der besonderen Art. Sie haben nicht nur die Verantwortung über das Leben der Tiere in unseren Händen während sie die Narkose verabreichen und müssen daher geistig immer und jederzeit voll da sein. Ebenso sind sie von früh bis spät auf den Beinen. Ich weiß nicht wieviele km sie am Tag zurück legen, schwere Hunde tragen, unschöne Hinterlassenschaften beseitigen, organisieren, koordinieren, schwierige Tierbesitzer besänftigen, Essen beschaffen, improvisieren von früh bis spät. Meinen Bedürfnissen nachkommen, denn entweder ist es mir zu heiß, zu kalt, in jedem Fall zu stickig..., das Licht ist schlecht, der Geruch unangenehm. Ach ja, ein Tee wäre schön.... Und nicht zu vergessen sie müssen mich 24h ertragen: da bedeutet, dass sich mein kleiner bissiger Chihuahua nicht selten nachts unter ihre Bettdecke schleicht! Was soll ich sagen, sie alle sind klasse, leisten übermenschliches und ohne sie wären unsere Erfolge niemals möglich!
DANKE!!!!

Da unsere festangestellte Helferin Christina auch sehr auf Kreta eingespannt ist und mir daher nicht immer zur Verfügung stehen kann, habe ich besonders in den letzten Monaten viel mit Ehrenamtlichen gearbeitet. In erster Linie handelt es sich um Studenten und junge Tierärzte, die ihre Arbeitskraft für die gute Sache zur Verfügung stellen. Ich denke aber auch, dass sie viele sehr wertvolle Erfahrungen für das eigene Leben- sowohl beruflich, als auch privat- von jedem unserer Einsätze mit nach Hause nehmen. Nicht ohne Grund möchten uns die meisten wieder begleiten.... So denke ich, das dies eine schöne Sache für uns alle ist. Und da meine Erfahrungen der letzten Monate äußerst positiv sind, würde ich mich freuen, wenn wir das Netz an freiwilligen Hefern etwas ausbauen könnten... So fällt mein Blick auf Karoline, die neben mir im Transporter sitzt und mich bei diesem Einsatz begleitet hat. Es ist ihr anzusehen wie müde und erschöpft sie nach diesen Wochen ist. Doch nicht zu übersehen ist ebenfalls die Zufriedenheit über das Geleistete und das schöne Gefühl etwas sinnvolles getan zu haben. Ich bin mir ganz sicher- wir sehen uns wieder. Und ich freue mich sehr darauf!


Ihre Nina Schöllhorn

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de

Partner

Der Verein "Kids4Dogs" ermöglichte einen Teil dieses Einsatzes durch seine finanzielle Unterstützung

Der Freundeskreis Bruno Pet e.V. ermöglichte einen Teil dieses Einsatzes durch seine finanzielle Unterstützung