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Rovinari - Carbune

Ein Bericht von Maria Reisböck

Carbune ist das rumänische Wort für Kohle.
Carbune ist ein kleiner Welpe, sein Fell ist an sich hell, doch nun ist es nahezu schwarz vom Kohlestaub und Flohhinterlassenschaften. Carbune stammt vom Gelände des Kohlekraftwerkes.  Mitarbeiter des Tierheimes fanden ihn dort halb verhungert, als sie Hunde zur Kastration einfingen. Alle seine Geschwister waren bereits verstorben. Sie nannten ihn Carbune und diesen Namen sollte er nun behalten.

Mittwoch

Heute ist der erste Einsatztag im Tierheim. Mein letzter Einsatz als Assistentin liegt einige Zeit zurück, in Rovinari war ich bislang noch nie.
Ich bin etwas aufgeregt und konzentriere mich auf den Kastrationscontainer: Erstmal alles aufbauen, was benötigen wir alles aus dem Auto, wo findet alles seinen Platz.
Das Platzangebot ist nicht gerade üppig, aber wir bekommen alles gut unter. Wir starten mit den Katzen und so langsam, dank Ninas geduldiger Einweisung, läuft es sich schnell wieder ein.
Nachdem alle wartenden Katzen und Kater  kastriert sind, schauen wir nach draußen zu den Hunden.

Erst jetzt nehme ich den Vorplatz des Tierheims wahr, konzentriere mich jedoch weiter auf die Hunde, die uns gebracht wurden und brav in ihren Boxen warten.
Das Tierheim an sich, die Zwinger, die Hunde die hier leben habe ich noch nicht gesehen.
Der Kastrationscontainer steht vorne in der Zufahrt. Die Zwingeranlagen liegen hinter uns. Sehen können wir sie nicht, aber hören. Wir hören das Bellen, die Aufregung, einzelnes Aufschreien, wenn es zwischen den Hunden zu Auseinandersetzungen kommt. Die Gedanken wie stark sie sich wohl verletzten, ob ein Arbeiter schnell genug dazwischen gehen kann, wie viele Hunde eingeschüchtert in der Ecke sitzen. All diese Gedanken schiebe ich zur Seite und konzentriere mich auf die zu kastrierenden Hunde.
Ich versuche erstmal, kein Einzelschicksal nah an mich heranzulassen.

Donnerstag

Tag zwei und da sitz er. Winzig, dreckig und mutterseelenallein. Ein Einzelschicksal, das einen nicht mehr wegschauen lässt.
In einem kleinen alten `Wartehäuschen` sitzt er auf Säcken aus Müll und Baumaterial. Carbune
Nina hat ihn entdeckt, doch was nun? Wir haben anstrengende Tage vor uns, für die Versorgung eines Welpen braucht es Zeit… Doch das Tierheim ist überfüllt und es gibt keine bessere Unterbringungsmöglichkeit für ihn.
Hinzu kommt die Gefahr der Parvovirose, einige Welpen eines anderen Wurfes sind bereits erkrankt und eine Möglichkeit der Desinfektion gibt es hier nahezu nicht.
Ein paar Blicke gehen hin und her, wir überlegen.
Wir haben das Glück, dass wir bei dieser Kastrationsaktion zu dritt sind, so können wir uns etwas aufteilen. Und dann ist es entschieden:
Carbune kommt mit uns.
Schnell bereiten wir ihm eine kuschelige warme Box und er es gibt erstmal was zu essen.

Freitag

Carbune bekommt sein erstes Bad, was da alles aus ihm rauskommt ist schon erstaunlich.  Er lässt alles brav über sich ergehen und genießt es am Ende sogar. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie das alles gejuckt haben muss.
Unser neuer Begleiter zeigt sich als aufgeweckter kleiner Kerl, der sich durch nichts erschüttern lässt.
Bei den gemeinsamen Gassirunden begleitet er uns auf Schritt und Tritt. Es ist erstaunlich wie er einfach so hinter uns herläuft, als wäre er schon immer dabei. Die größte Freude hat er mit Othello, einem anderen Welpen, der uns begleitet. Doch Othello darf an diesem Tag die Reise nach Deutschland antreten und Carbune bleibt bei uns zurück.

Samstag

Doch Carbune ist kein Kind von Traurigkeit und zeigt uns schnell seine neue Leidenschaft:
Schuhe, Socken, Bürsten, nichts ist mehr sicher vor ihm und alles wird ins Körbchen getragen.
So ein witziger kleiner Kerl, der uns immer wieder zum Lachen bringt.
Der Tag heute ist lang, wir kastrieren und Carbune wartet geduldig in seiner Box, bis sich einer von uns die Zeit nehmen kann und ihn kurz rauslässt.
Abends gibts noch eine gemeinsame Runde und dann geht’s ab ins Bett.

Sonntag

Heute wird nicht kastriert und wir haben uns vorgenommen etwas auszuschlafen.
Ich hab nicht wirklich dran geglaubt, denn Carbune ist ein Frühaufsteher.
Doch tatsächlich werde ich erst um 9 Uhr wach. Die kurze Freude hält nicht lange, der Blick fällt auf Carbune und er liegt tatsächlich noch in seinem Körbchen.
Kein Gequieke, kein freudiges Aufspringen. Merkwürdig. Aber erst einmal ruhig bleiben, vielleicht ist er tatsächlich nur noch etwas erschöpft von gestern.
Mittags fahren wir mit den Hunden ins Grüne, Carbune läuft mit uns mit, doch er wird schnell müde.
Irgendetwas stimmt nicht.
Als wir ihm Futter anbieten, verweigert er es. Mist. Die paar Stunden im Tierheim haben wohl ausgereicht, um sich etwas einzufangen. Bei so einem kleinen Körper geht es schnell, man kann zusehen wie er immer mehr abbaut. Er nimmt nichts mehr zu sich, kein Futter, kein Wasser.
Nachts stelle ich mir alle zwei Stunden den Wecker und versuche etwas Wasser und Flüssignahrung in ihn reinzubekommen.
Das funktioniert vorerst auch.

Montag

Das Zufüttern scheint etwas gebracht zu haben, am nächsten Morgen wirkt er fitter und die Hoffnung steigt, dass es doch nicht so schlimm ist.
Doch das Aufatmen hält nicht lange an.
Er übergibt sich. Wasser oder Flüssignahrung, nichts behält er mehr bei sich.

Dienstag

Der kleine Körper baut immer mehr ab. Die anderen Welpen im Tierheim sind in der Zwischenzeit bereits verstorben. Der Verdacht auf Parvovirose drängt sich auf. Er ist nun isoliert in einer Box, nur mit Handschuhen können wir ihn noch anfassen. Er muss an die Infusion. Von dem einst fröhlichen Welpen ist nichts mehr übrig.
Ein Häufchen Elend liegt neben mir und hält mich die Nächte wach.
Gutes Zureden, eine Wärmflasche, ein paar Streicheleinheiten, mehr kann ich ihm nicht geben und hoffe nun auf ein Wunder, denn es sieht alles danach aus, dass er es nicht schaffen wird.
Nina versorgt ihn mit den nötigen Medikamenten.
Wir ertappen uns wie wir schon darüber sprechen, dass er wenigstens ein paar Tage ein warmes Bett, Futter und etwas Zuneigung hatte. Aber halt, noch ist er bei uns, so sollten wir nicht über ihn sprechen.

Mittwoch

Morgens werfe ich einen nervösen Blick in die Box. Carbune lebt noch.
Mir bleiben nur noch zwei Tage hier in Rovinari, dann geht es zurück nach Deutschland.
Für Nina und Gabriel geht es weiter nach Bals zur nächsten Katrationsaktion. Carbune muss bis dahin wieder auf die Füße kommen, das ist alles worum sich meine Gedanken nun drehen.

Donnerstag

Mein erster Blick geht zu Carbune in die Box, da liegt er und hebt sein Köpfchen. Bild ich es mir ein oder wirkt er etwas wacher? Schnell hole ich etwas Futter und tatsächlich - er schnuppert daran und leckt sogar kurz. Unfassbar - Carbune scheint auf dem Weg zur Besserung!

Freitag

Ich starte ganz früh in Richtung Heimat, kurz danach schickt mir Nina ein Video.
Carbune leert mit großen Bissen seinen Napf. Die Lebensgeister sind zurück!
Eine Woche ist vergangen, seit wir den kleinen Kerl kennengelernt haben. Eine Woche mit schönen und sehr beunruhigenden Momenten. Eine Woche verfliegt sooft wie im Fluge - aber diese eine Woche hat für Carbune alles bedeutet und er hat seine Chance genutzt.
 Er hatte enormes Glück. Seine Zukunft im Kohlekraftwerk und der bevorstehende Winter hätten dem kleinen Körper viel abverlangt. Der Umzug ins Tierheim hätte ihm ziemlich sicher das Leben gekostet, denn eine intensive Betreuung der Parvo-Welpen ist dort nicht möglich.
Für ihn freuen wir uns sehr, doch da draußen sind so unfassbar viele andere Welpen, die diese Chance nicht bekommen. Welpen, die den Kampf gegen die Kälte, Krankheiten, andere Hunde und teilweise auch den Menschen nicht überleben.
Das zeigt uns einmal mehr wie wichtig es ist weiter zu kastrieren, denn nur auf diesem Wege können wir diesen Schicksalen entgegentreten.
Unser Carbune ist übrigens noch auf der Suche nach einem Zuhause. Er ist ein aufgewecktes, sehr schlaues, selbstständiges Kerlchen. Von seinem wirklich niedlichen Äußerem sollte man sich aber nicht allzu sehr beeindrucken lassen, da steckt schon auch eine Aufgabe in dem Kohlemännchen!

Eure Maria

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de