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Zwei Hände mehr

Ein Bericht von Antonia Xatzidiakou | Tierärztin

„Halte still Lisa, ich kann keinen Venenkatheter schieben, wenn du die ganze Zeit wackelst.” Unsere Assistentin Lisa liegt auf dem Gartentisch. Ich gebe ihr die Narkose über den Venenkatheter und warte, bis sie wirkt. Anscheinend ist sie resistent gegen die Anästhesie. Ich muss schnell operieren, ich habe keine Zeit mehr. Langsam wird alles trüb. Was wollte ich nochmal operieren, und wen? Ich hab´s vergessen.

“Geh aus meinem Traum Antonia!” schreit Lisa auf dem Gartentisch.

“Nein, geh du aus meinem”.

Gedämpfte Geräusche wecken mich auf.
Wer bin ich?
Wo bin ich?

Ein kurzer Blick aufs Handy verrät mir, es ist 3:30 Uhr nachts. Ich sinke erschöpft auf das Kopfkissen, sortiere mich ein paar Sekunden, um festzustellen, dass ich beobachtet werde. Der süßeste Grund für schlaflose Nächte schaut mich aufmunternd an und zwei kleine Hände greifen nach meinen Haaren.
Nix Lisa. Nix Gartentisch. Als wäre ich das lustigste Wesen auf dieser Erde, lacht mich meine Tochter an, als ich ihr die Windel wechsele.

„Na komm, schlaf jetzt bitte gleich wieder”, höre ich mich sagen und als könnte sie mich mit ihren vier Monaten verstehen, schiebe ich hinterher:  „Wir müssen morgen früh schließlich wieder kastrieren.“
Von jetzt an gehen wir gemeinsam auf die Einsätze.

Fest entschlossen, dass mich meine neue Unterstützung nicht vom Tierschutz abhalten wird, hatte ich bereits kurz nach der Geburt den nächsten Einsatz mit dem Verein „Flying Cats e.V.“ auf Rhodos geplant. Nun ist es Februar und die vierundzwanzigste Kastrationsaktion läuft bereits. Selbstverständlich habe ich kürzere Arbeitstage und weniger Tiere eingeplant, aber es fühlt sich dennoch gut an, wieder in meiner natürlichen Umgebung zu sein.

Seit über 12 Jahren finden regelmäßig Kastrationseinsätze auf Rhodos statt und jedes Mal bin ich erstaunt darüber, wie schnell die Termine ausgebucht sind. Wie immer sind es viele Katzen, die zur Kastration kommen. Durch die jahrelange, kontinuierliche Durchführung der Aktionen merkt man, dass die Tiere vor Ort kräftiger sind und besser aussehen.

Geht man durch die Straßen, sieht man fast überall Katzen, die stolz einen Cut im Ohr tragen, das Erkennungszeichen der erfolgten Kastration. Das bedeutet natürlich nicht, dass unsere Arbeit getan ist, nur dass schon eine deutliche Verbesserung zu sehen ist. Doch nicht nur in der Katzenpopulation ist Verbesserung zu erkennen, auch das Verhältnis zwischen den Behörden und den Streunern hat sich verändert.

Von Ignoranz zur Akzeptanz der Verantwortung und jetzt sogar der Wille, etwas für die Tiere zu tun.
Am Anfang war das Einzige, was uns die Gemeinde angeboten hatte, die Unterschrift, dass wir (für die Gemeinde) kostenlos die Straßentiere kastrieren dürfen. Später kam die Unterschrift plus ein schriftliches Dankeschön für unsere Leistung. Letztes Jahr wurden uns endlich eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Ein fester Ort, ohne ständige Umzugs-Aktionen, in dem wir in Ruhe unsere Einsätze durchführen können.

Dieses Jahr gibt es erneut eine positive Entwicklung. Nach Gesprächen mit der neuen Verantwortlichen ist sogar eine Finanzierung der Operationsmaterialien in Aussicht. Außerdem plant die Gemeinde eine große Aktion mit uns, in der wir von Dorf zu Dorf fahren sollen, um die Tiere dort zu kastrieren. Mit etwas Glück werden sogar befristet Katzenfänger für kommende Einsätze angestellt.
Zu gut, um wahr zu sein? Klingt so, aber es scheint tatsächlich wahr zu werden. Es hat ja auch nur 12 Jahre gedauert...

Zurück in die Gegenwart. Der Einsatz-Alltag ist mir nur zu gut bekannt. Kastrieren, kastrieren, kastrieren, kaputte Augen entfernen, schlechte Zähne ziehen, ein Bein amputieren, Notfälle versorgen. Das bleibt unverändert.

Neu hinzugekommen sind nun: Windeln wechseln, Baby füttern, Koliken lindern, in den Schlaf wiegen - und dann alles wieder von vorne. Ich gebe zu, ein bisschen unterschätzt zu haben, dass die schlaflosen Nächte schon eine Belastung bei der Arbeit sein werden. Mein Gehirn schaltet nun häufiger auf Autopilot. Die Tage gehen aber schnell vorbei und mit jedem Schicksal, dem wir helfen, wird die Müdigkeit weniger.
Und solange ich nur davon träume, auch meine Assistentinnen in Narkose zu legen und operieren zu wollen, ist doch alles in Ordnung.

Erneut spüre ich die kleinen Hände nach meinen Haaren greifen. „Gleich stehen wir auf, mein Schatz,“ flüstere ich und stelle mir vor, wie schön es sein wird, wenn diese kleinen Hände auch im Einsatz mithelfen können und wenn die kleinen Augen sehen dürfen, wie vielen Tieren ihre Mama und die besten Kolleginnen der Welt bereits geholfen haben.

Hoffentlich liegt in ihrem kleinen Bettchen neben mir eine angehende Tierschützerin, die die Kraft, die sie erübrigen kann, für die Tiere einsetzt.

Fast wie ein Wimpernschlag ging der Februar-Einsatz auf Rhodos zu Ende.
Bei dieser Mini-Kastrationsaktion wurden 260 Tiere kastriert, 47 Zahnsanierungen vorgenommen, sieben Wunden versorgt, drei Ohren und ein Bein amputiert, außerdem neun Augen entfernt. Für 260 Seelen wurde das Streunerleben ein bisschen einfacher.

Wie viele Windeln gewechselt wurden, habe ich nicht gezählt. Und Lisa geht es auch gut.

Eure Antonia

Partner

  • Dieses Projekt wird finanziert von:
  •   Flying cats e.V.
  • IBAN: DE19250501800910122920<
  • BIC: SPKHDE2HXXX

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de