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Nebensächlichkeiten

Ein Bericht von Thomas Busch Tierarzt

Nebensächlichkeiten

Die Ratten sind da. Fast schneller als das Futter. Haben sie unsere Handys abgehört? Vor 10 Tagen schickten wir 5 Tonnen Futter nach Kreta und lagerten es in unserer Garage. Als hätte ich es im Gespür, packe ich alles, kurz nach meiner Ankunft im NLR, in unsere blauen Tonnen, in unseren absolut dichten Anhänger und verteilte den Rest an unsere Partner. Als die letzte Palette leergeräumt  war, zeigte sich die Intelligenz dieser Tiere! In der Mitte der Palette, von außen absolut nicht sichtbar, war ein Sack angenagt und ausgeräumt. Da wir die Tiere nach Möglichkeit nicht umbringen möchten, gibt es in einer Tierstation nur eine Möglichkeit; es darf nirgendwo Futter herumliegen!

Sie kennen Prozessionsspinner? Es sind Raupen, die ihren Namen fanden, weil sie hintereinander, wie an einer Perlenschnur aufgezogen, herlaufen. Das ist das Lustige, das weniger Lustige ist, dass sie „Brennhaare“ besitzen, die bei Kontakt mit menschlicher Haut, schwere allergische Reaktionen hervorrufen können. In einem Hunderachen kann es lebensbedrohlich werden. Die Nester der Raupen sind in der Kiefer, direkt über unseren Hundeausläufen. Eine Mitarbeiterin geriet im letzten Jahr in Kontakt mit den Raupen, was mehr als unangenehm war. Heute stehen Andi und ich vor diesem riesigen Baum und bedauern, dass wir nicht fliegen können, da die Kokons sehr weit außen an den Ästen angelegt sind. Andi kann zwar genauso wenig fliegen wie ich, ist aber leichter und schon ist entschieden, wer da hinauf muss und in der ersten Reihe kämpft. Fast alle Nester erreichen wir und Andi kommt auch heil wieder herunter.

Zusammen mit dem Futtertransport schickten wir auch vier Paletten Flugboxen mit nach Kreta. Die stehen noch ein wenige wild in unserer Garage und ich beginne mit dem Einräumen. Wichtig hierbei ist es, dass die Boxen komplett sind. Nichts ist schlimmer, als eine Box aus dem Regal zu greifen, um dann bei der Fangaktion oder am Flughafen festzustellen, dass die Clips oder gar die Tür fehlt/nicht passt. Deshalb ist dieses Sortieren zwar die dämlichste Arbeit, die der Tierschutz zu bieten hat, aber nicht unwichtig.
Kaum bin ich fertig, kommt Gerlinde. Sie koordiniert mit den anderen Tierschützern die Kastrationsaktionen in Rethymno. Gerlinde ist immer und überall präsent. Eine schnelle Begrüßung, Kofferraum auf, Boxen (die, die ich gerade sortiert habe) rein, Kofferraum zu und schon ist sie wieder weg.

In unserem Erdgeschoss gab es im letzten Herbst einen Riss. Wodurch auch immer. Wärme? Erdbeben? Die Fliesen wurden dadurch angehoben und standen zeltartig hoch. Unser Vermieter zuckte mit den Schultern (darüber sind wir eigentlich sehr froh, denn er genehmigt uns dadurch im Umkehrschluss, mit seinem Haus zu machen, was wir für richtig halten – und worüber er bisher immer begeistert war :-)). Die aufgebrochenen Fliesen waren unbrauchbar und neue nicht mehr erhältlich. Nun stehe ich vor dem Boden und frage Andi, wo er denn doch noch Fliesen gefunden hat, denn der Boden ist wieder verschlossen, gerade und sieht schöner aus als vorher. Als Antwort kommt dieses verschmitzte Grinsen, gepaart mit einem „Hm“. „Sag schon“, dränge ich ihn, aber das Grinsen wird lediglich breiter. „Das sind keine Fliesen, ich habe lediglich Beton reingeschüttet, ihn glatt gezogen, mit einem Brett die „Fugen“ reingedrückt und den Beton rotbraun und die Fugen „dreckigweiß“ angemalt.“
So ist Andi, ein Allrounder der Extraklasse und als ob das nicht genug der Perfektion wäre, hat er das komplette Untergeschoss bei der Gelegenheit gleich neu gestrichen, die hässlichen Lampenfassungen gegen LED-Lampen getauscht, die Schaltkreise richtig(!) angeschlossen und die Türen gestrichen. Manches Wohnzimmer wäre neidisch auf unseren Keller.

Seit Langem denken wir über eine Einzäunung des gesamten Grundstückes nach. Unser Dauergast, Tassos, ein Rüde, der zuerst um sich gebissen hat wie ein Wilder, da er sein bisheriges Leben an einer Kette im Nirgendwo fristen musste und seine Sozialkompetenzen unterirdisch entwickelt waren, hat eingesehen, dass es das Schicksal nie wieder besser mit ihm meinen wird und ist mit seiner Aufgabe als Wachhund voll zufrieden. Er darf nach Herzenslust auf dem Gelände umherlaufen, gehört zum Inventar wie die knorrigen Olivenbäume, genießt die Vollpension, büchst aber trotzdem gerne auch mal aus. Da wir ihn inzwischen liebgewonnen haben, möchten wir nicht, dass ihm auf seinen Streifzügen irgendetwas zustößt.
Und obwohl unsere Zwingeranlage im hinteren Teil des Grundstücks mehr als gesichert ist, könnte trotzdem mal ein anderer Hund von dort entwischen. Dann könnte er über den ungesicherten „Hang“ im vorderen Teil des Geländes flüchten und wir würden ihn nie wieder sehen. Deshalb möchte Andi dort den Zaun um das Grundstück schließen und seinem Wunsch kann ich mich irgendwie nicht entziehen. Ich sage zwar noch, dass unsere Spendeneingänge rückgängig sind, aber da ist es schon zu spät. Der Anhänger mit dem Zaun steht vor der Tür. Wenige Tage später bekomme ich die Fotos mit folgenden Worten nach Deutschland nachgeschickt: „Worauf habe ich mich da nur eingelassen?“
Selber schuld :-)

Gerlinde leitet mir eine SMS mit der Frage weiter: Ob ich morgen in einem Dorf, 20 km von Rethymno entfernt, Katzen einfangen kann. Sie schafft es einfach nicht, dort auch noch hinzufahren. Ich schnappe mir Fallen, Boxen und Futter, bin aber nicht richtig erfolgreich. Zehn Tiere kann ich fangen, was mehr dem schlechten Wetter, als meiner Fähigkeit geschuldet ist. Wirklich! Immer wieder ziehen kräftige Schauer über Kreta und es gießt wie aus Eimern. Am heutigen Tag operieren Dr. Melanie Stehle und Dr. Julia Ricken 82 Tiere. Demnach können Sie sich vorstellen, was für eine wahnsinnige Arbeit unsere Partner leisten, die bei diesen Wetterbedingungen sage und schreibe 72 weitere Tiere anschleppen.

Hinter unserem Hundetrakt befindet sich eine große Wiese, die bisher ungenutzt und recht verwildert brach lag. Die Olivenbäume sind seit zehn Jahren nicht mehr geschnitten worden und bereits bei meinem letzten Besuch auf Kreta begann ich, sie zu kultivieren. Das dabei anfallende Holz soll uns im Haus in Zukunft beim Heizen unterstützen. Wenn wir diese Wiese auch einzäunen könnten, wäre sie ein absolut perfekter Auslauf für unsere Hunde. Da aber das Material für den vorderen Teil unseres Grundstückes schon nicht so ganz preiswert war, vertröste ich diesen Gedanken auf die Zeit, in der unsere Spendeneingänge wieder ansteigen.

Sie, liebe Leser dieser Nebensächlichkeiten, können sich kaum vorstellen, was ein Kastrationstag an Nebenschauplätzen so alles bietet. Es reicht von der Visite am Morgen (wir hatten in dieser Zeit sieben Katzen (Intensivpatienten) und drei Hunde in der Station), über die täglich anfallende Hausarbeit, über Hundespaziergänge, Reinigung der Zwinger und Boxen bis hin zum späten Abendessen, für das unsere Köchinnen (das sind unsere Assistentinnen, Tierärztinnen und Helfer – nicht dass sie denken, wir haben eigene Köche!) ihr Bestes geben. Vegetarisch oder noch besser vegan, versteht sich!
Es ist die ewige Bürokratie, die Pflege der Fahrzeugflotte, die Kommunikation mit den Kollegen in den anderen Projekten, Ländern, die Vermittlung von Tieren, die Abrechnungen der griechischen Kollegen vor Ort, die Öffentlichkeitsarbeit und und und.

Kommen wir nun aber zu den Hauptschauplätzen:
Das sind, wie Sie sich vorstellen können, weder die Raupen noch die Ratten in unserer Station, sondern die Kastrationseinsätze. In diesen zwei Wochen waren im NLR drei Tierärzte, zwei Assistenten, drei Helfer und zwei Gäste anwesend. Melanie reiste für eine Woche an, arbeitete mit Marga, die sich mehr um den Osten der Insel kümmerte und wurde von Julia Ricken unterstützt, die für einen Tag nach Rethymno kam. In dieser Zeit (26.02.-06.03.2022 inklusive „Osttour“ von Dr. Marga Keyl) wurden insgesamt 520 Tiere operiert.
DAS ist das eigentliche Ziel unseres Vereins, da ich das aber bereits zigmal beschrieben und thematisiert habe, wollte ich Sie dieses Mal zu den „unwichtigeren“ Dingen mitnehmen, die aber in Summe auch mit dafür verantwortlich sind, dass der Laden läuft.

Ihr Thomas Busch – gerade positiv

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Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de