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Die Reise - Kreta und Rhodos

Wer schreibt etwas über Kreta für den Report?
Ich weiss nicht, was man noch über Kreta berichten kann. Man hat alles geschrieben, von vorne bis hinten und zurück - gefühlte 100 Mal. Ich weiß nicht, warum ein Tierarzt ein Schriftsteller sein muss. Ich weiß aber, dass es anders nicht geht. Einfach gesagt, es geht darum, unsere Mitglieder zu informieren, was mit ihren Spenden passiert ist. Jeder, der uns begleitet, weiß, dass wir unseren Job bis zur Erschöpfung machen. Jedoch nichts ist umsonst - der Verein muss alles kaufen, um die Arbeit von uns zu ermöglichen. Von den Wattestäbchen bis zu den  mobilen Op-Lampen.
Mit unseren Einblicken in die Arbeit vor Ort möchten wir euch überzeugen, dass es für eine gute Sache ist und dass es nicht für Cocktails in Kretas Strandbars ausgegeben wird. Zeit um zu Schreiben gibt‘s leider nicht viel und wenn man gleichzeitig im Einsatz auf Rhodos ist und die Uhr 3:46 früh zeigt, hat man natürlich nicht wirklich viel Inspiration. Ganz kurz möchte ich euch trotzdem erzählen, wie die letzten vier Wochen waren.

Woche 1

Startpunkt Trikala, Griechenlands Festland. Gerade habe ich den Schlüssel der neuen Mietwohnung bekommen und schon muss ich weg. Diesmal wird Kreta übers Wasser erreicht. Die schlechte Gewohnheit, spontan zu sein, hat ihre Folgen, denn im Flieger gab‘s keinen Platz für meine Hunde. Und wie es hier gesagt wird: wer kein Hirn hat, muss Füße und Hände haben. Also muss ich erst mit dem Auto nach Piräus fahren, auf die Fähre steigen und dann fängt unsere „Kreuzfahrt“ spätabends an. Wenn ich wieder Empfang habe, muss ich den Elektriker auf dem Festland anrufen. Zehn Stunden später komme ich in Heraklion an. Stockdunkel und feucht. Ein bekanntes Gesicht lächelt mich trotz Müdigkeit an. Michelle ist gegen drei in der Nacht von unserer Station losgefahren, um Christina Schomann zum Flughafen zu bringen. Sie hat mich dann gegen sechs aufgesammelt und wir machen uns direkt auf den Weg nach Ierapetra. Dort wird für drei Tage gearbeitet. Jedes Mal wirkt es so, als würde man uns mehr Tiere zur Kastration bringen. Solange unkastrierte Tiere umherlaufen ist jeder Versuch, die Situation dort zu verbessern, extrem arbeitsintensiv. Anschließend geht es weiter nach Sitia, unserer östlichsten Station.
Auch in Sitia arbeiten wir - wie in Ierapetra - in einem ehemaligen Schlachthof, dessen Anlage als Tierheim umgestaltet wurde. Der Platz ist an sich nahezu identisch, die Bedingungen für die Hunde sind allerdings besser. Diesmal ist die Aktion eigentlich entspannt. Da viele ehrenamtliche Helfer aus unterschiedlichen Gründen nicht da sein können, ist die Anzahl der gefangenen Tiere, vor allem Katzen, für unsere Verhältnisse wenig. Dafür können wir den Menschen bei der Betreuung der vorhandenen Tiere helfen. Tag zwei von insgesamt drei des Sitia-Einsatz beendet unsere erste Woche.
Die ersten Souvenirs unserer Tour: ein Chihuahua mit Leishmaniose und ein an FIV erkrankter Kater in schrecklichem Zustand.

Kastrierte Tiere:144
Kilometer gefahren: 1040
Schlafstunden: 31

Woche 2

Während unseres letzten Tages in Sitia können weitere Details über das bald beginnende Voucher-Projekt geklärt werden. Geplant ist, dass auch die Privattiere - ähnlich wie in Rethymno - mit unserer finanziellen Unterstützung von lokalen Tierärzten kastriert werden. Wir verlassen Sitia abends nach der Arbeit und machen uns auf den Weg ins NLR.
Aktuell befinden sich im NLR ausser unseren „eigenen“ neun Stammgästen, eine Katze mit einem Beckenbruch, eine Katze nach ihrer Ohr-Tumor-Operation, ein Hund, der auf ein Zuhause wartet, ein Hund mit Nierenproblemen und zwei taube Welpen, die Parvovirose überlebt haben. Sehr unzufriedene Bewohner warten bereits vor der Tür auf uns. Die Mahlzeit hätte früher sein sollen, sagt deren Blick, unabhängig davon, ob man den ganzen Tag gearbeitet hat. Halb im Schlaf lädt Michelle das Auto aus, während ich Denno, einem unserer Kater, das Spezialfutter in seinem blauen Napf serviere. Es darf nur der blaue sein, so lautet Christina‘s Anweisung. Ich muss den Elektriker auf dem Festland anrufen.
Der Klingelton des Wecker reißt mich aus dem Schlaf. Heute ist unser erster und letzter Tag im NLR. 24 Stunden um alles fertig zu machen. Welpen impfen, Entwurmungstabletten an alle NLR-Bewohner verteilen, Futterschränke nachfüllen, Unmengen Wäsche waschen und aufhängen. Vermittlungsbilder machen, Transportboxen zusammenbauen, die Dokumente für die Tiere, die nach Deutschland fliegen, fertig machen, das benutzte Equipment für die kommende Aktion reinigen und auffüllen, Autos putzen...
Tausende kleine und große Sachen, die den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Bevor wir an größere Pausen denken können, drehen wir aber noch einmal den Autoschlüssel rum.
Vier Tage in Zouridi - 45 km von uns entfernt - stehen als nächstes in unserem Kalender. Früh morgens erstmal alle Stationstiere versorgen und medikamentös behandeln, nach Zouridi fahren, alle geplanten oder teilweise ungeplanten Tiere, die uns gebracht werden, kastrieren, ins Auto setzen, zurück ins NLR fahren, nochmal alle Tiere versorgen, und dann tot ins Bett fallen, bis der Wecker uns schon wieder aus dem Schlaf reißt um nochmal das gleiche Ritual zu durchlaufen. Nach diesen vier Tagen fahren wir spät abends im Dunkeln weiter in den Westen von Kreta. Nach Paleochora. Dort fühle ich mich wie im Urlaub. Etwas Besonderes liegt in dieser Gegend in der Luft. Alles ist gleich, aber die Stimmung eine andere. Dieser Ort erscheint weit weg von dieser Welt. Leider sind unsere Aufenthalte dort immer kurz. Und schon ist die zweite Woche rum.

Kastrierte Tiere: 177
Kilometer gefahren: 690
Schlafstunden: 38

Woche 3

Unsere dritte Woche beginnt noch in Paleochora. Aber unsere Arbeitsreise geht weiter. Dienstag früh nehmen wir die Strecke nach Hause, mit einem kurzen Stop in Tsivaras-Kalyves. Der letzte Aussenposten vor Chania. In Chania selbst gibt es leider seit ein paar Jahren ein „Eintrittsverbot“. Die Stadt, in der alle mit der Politik vernetzten Tierärzte ihren Sitz haben. Da ist das Geld- und Machtspiel so groß, dass die Gemeinde selbst unsere Hilfe nicht annimmt, sondern lieber Tausende Euro ausgibt, um ein hundertstel von unseren Zahlen zu erreichen. Man muss es nicht verstehen, sondern akzeptieren und sich auf die Orte konzentrieren, wo man was ändern kann. Die Geschichte hat mehrmals gezeigt, dass sich das Rad irgendwann wieder dreht. Wir können nur abwarten.
Während des Tsivaras-Einsatzes fahren wir täglich zum NLR zurück zum Übernachten. Obwohl es eine Stunde Hinfahrt ist, sind die verursachten Kosten nebensächlich, denn unsere Notfalltiere müssen tierärztlich versorgt werden. Längere Abwesenheiten sind nicht wirklich gut.
Nun sind es in Kalyves doch drei Tage geworden und unsere Erholungszeit damit auf wenige Stunden geschmolzen.
Und wieder beginnt das Auspacken des Equipments, Auto putzen, das Haus von oben bis unten putzen, denn das nächste Team möchte ja nicht in unserem Dreck wohnen. Alle Behandlungspläne werden auf die Tafeln für Andi geschrieben, Zahlen in die Statistik eintragen, Koffer gepackt, Blutproben für das Labor in Deutschland genommen. Kurz bevor wir zum letzten Mal ins kretische Bett gehen, packe ich fast 100kg Material für den kommenden Rhodos Einsatz.
Deutsche Ordnung und griechisches Patent quetschen alles in fünf Kartons.
„Kannst du mich morgen daran erinnern, den Elektriker anzurufen?“, höre ich mich sagen, bevor wir uns in unsere Schlafzimmer verziehen. Sonntagnachmittag sitzen wir beide im Flieger. Michelle Richtung Thessaloniki, wo sie für Sabrina einspringen muss, weil diese sich auf Kreta ein Bein gebrochen hat und ich in Richtung Festland, wo nach einem schnellen Umzug auf griechische Art das Chaos auf mich wartet.
Kaum bin ich gelandet, kommt die Erinnerung von Michelle: „Ruf den Elektriker an!“ Toll - ich hätte es doch glatt wieder vergessen. Aber Sonntagabend werde ich wohl keinen mehr erreichen. Sonntagnacht befinde ich mich zwischen Bergen von Kartons in der Gesellschaft von Kerzen und einem Typen aus Texas wieder, der in einem YouTube-Video erklärt, wie man die Lampenfassung mit den Kabeln verbindet.

Kastrierte Tiere: 176
Kilometer gefahren: 1005
Schlafstunden: 36

Woche 4

Vier Tage und fünf Nächte konnte ich meine neue Wohnung einrichten. Donnerstag früh machte ich mich wieder auf den Weg. Diesmal bin ich „nur“ nach Thessaloniki gefahren um von dort mit dem Flugzeug in meine alte Heimat Rhodos zu fliegen. Meine Familie habe ich seit Mai nicht gesehen, noch ein Grund sich zu freuen. Auf Rhodos fängt unsere vierwöchige Aktion mit unserem Partnerverein „Flying Cats e.V.“ an. Dank einer lieben Tierärztin, die bald ihre Praxis aufmachen wird, dürfen wir seit eineinhalb Jahren in ihren Räumlichkeiten arbeiten. Reiner Luxus, denn an Platz fehlt es uns da zum ersten Mal nicht. Es gibt genug Aufbewahrungsorte für das Material, das inzwischen von Kreta kam, genug Platz für die vielen Helfer, die sich abwechseln und vor allem Ruhe.
Kastrationsaktionen in lauten Tierheimen durchzuführen, wie in der Vergangenheit, ist etwas psychisch und körperlich sehr Anstrengendes. Auf Rhodos ist die ganze Insel im Aktionsmodus. Alle - Behörden, private Tierärzte, Tierschützer - machen mit, um diese Aktion zu unterstützen. Wochen zuvor ist fast jeder Tag ausgebucht und es geht nur noch darum, die Termine effektiv zu verteilen. Etwas, das zum Glück unsere „Flying Cats“ meistern. Termine werden per Internet gemacht, Equipment wie Boxen und Fallen kann man ausleihen. Jedes kleine Detail ist organisiert, so dass hier alles flott läuft. Das Equipment wird in die Klinik geschleppt, es wird geputzt, viel telefoniert, Besteck wird sterilisiert...
Bis Sonntag ist unser Team vor Ort vollständig. Mehrere Flughafen-Fahrten haben alle Puzzlestücke zusammengebracht. Christina, Julia, Steffi, Jana, Dimitra, Tanja, Andrea, Claudia, Yvonne, Sandra & Eva setzen eine nach der anderen den Fuß auf die Insel und mit dieser bunten Menschen-Mischung geht die Rhodos-Aktion ab Montag los.

Kastrierte Tiere: 146
Kilometer gefahren: 1682
Schlafstunden: 39

Die Zeit läuft wie Wasser. Die Gegenwart wird zu einem Gestern, bevor sie es auf das Papier schafft. Die Taten, die Gedanken, die Gefühle rotieren alle im Kopf und bevor man sie erzählen kann, wird das Gehirn wieder von einem Notfall, einem Patienten, einem Ereignis abgelenkt und alles stapelt sich wieder neu wie ein Tetris-Spiel. Mögen es nur Worte sein, aber ich kann euch wirklich garantieren und versprechen, dass sich auch in Zeiten der Stille - Stille die Öffentlichkeitsarbeit betreffend - im Hintergrund die Räder drehen. Die Hände werden immer denen gereicht, die Hilfe benötigen und für unsere Mission wird täglich und jederzeit in verschiedenen Formen gearbeitet. Es darf nie am Geld liegen, dass wir nicht vernünftig arbeiten können. Es darf nie am Geld liegen, dass einem Tier nicht geholfen werden kann. Es darf nie am Geld liegen, dass nicht täglich kastriert wird und dadurch das Tierleben verbessert wird.
Ich hoffe, diese Zeilen konnten euch unseren Alltag ein bisschen näher bringen und ein Lächeln in euer Gesicht zaubern . Ein Lächeln mit dem Wissen „daran habe ich mitgeholfen“.
Inzwischen machen wir erstmal weiter.

Woche 5....

Eure Antonia

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de